„Die fossile Ära ist vorbei!“

Interview mit Stephan Breidenbach über die Zukunft der kommunalen Energieversorgung

Kommunale Energieversorgung mittel PV-Anlagen

Wie im Großen, so im Kleinen: Unser aktuelles Klimaschutzgesetz sieht vor, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral werden soll. Doch was auf Bundesebene gilt, muss auch in den Kommunen realisiert werden. Was bedeutet dieses Ziel also konkret für die Energieversorgung in den Kommunen? Über diese Frage haben wir mit dem Rechtswissenschaftler und klimapolitischen Berater Stephan Breidenbach gesprochen.

Prof. Stephan Breidenbach
Stephan Breidenbach ist Mediator, Unternehmer und Rechtswissenschaftler. Er berät Impact getriebene Organisationen und Kommunen zur Klimaneutralität und gilt als einer der versiertesten Experten auf diesem Gebiet.

Herr Breidenbach, welche Rolle spielen Kommunen überhaupt in der Energieversorgung? Und was sind Probleme und Herausforderungen, vor denen sie in den nächsten Jahren stehen werden?

Beginnen wir mal bei den Kommunen, und zwar bei den Stadtwerken. Die Stadtwerke verdienen ihr Geld heute überwiegend mit Gas. Die Erträge aus den Stadtwerken sind eine enorm wichtige Einnahmequelle für die kommunale soziale Infrastruktur: Jugendclubs, Hallenbäder und andere Einrichtungen werden zu einem nicht unwesentlichen Teil aus den Erträgen von Stadtwerken finanziert. Allerdings gehen die Erträge aus dem Gas aktuell zurück. Stadtwerke, die nur Gas verkaufen, haben eine sinkende Ertragskurve bei gleichbleibenden Kosten. Und wenn dieser Trend anhält, dann werden sie bald kein Geld mehr verdienen, beziehungsweise in die Insolvenz gehen, wenn sie nichts ändern.

Vor zwei Jahren hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einen Meilenstein gesetzt (im April 2021 hat das Bundesverfassungsgericht das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung als in Teilen verfassungswidrig erklärt und somit den Klimaschutz in Deutschland gestärkt., Anm. d. Red.) Die fossile Ära ist vorbei. Wir brauchen Klimaneutralität. Gleichzeitig gibt es Bedarf an erneuerbaren Energien und der muss gedeckt werden.

Und bevor die großen Energiekonzerne sich den Markt der Erneuerbaren Energien sichern und die Stadtwerke nur gering daran verdienen, sollten die Stadtwerke die Energieversorgung selbst in die Hand nehmen – und zwar gemeinsam mit den BürgerInnen, damit am Ende sowohl Stadtwerke als auch BewohnerInnen davon profitieren. Dieses Feld sollte nicht den großen Konzernen überlassen werden, damit die soziale Finanzierung und somit die soziale Infrastruktur der Stadt auch in Zukunft gewährleistet ist.

Gibt es einen zeitlichen Rahmen, in dem dieser Wechsel zu erneuerbaren Energien erfolgen sollte? Was sind mögliche Vorteile, wenn Kommunen dies möglichst schnell angehen?

Also, erstens müssen wir schnell ins Handeln kommen, um unsere Energieversorgung zu decken. Zweitens verdeutlicht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: Wir brauchen erneuerbare Energien, um die Klimaneutralität rechtzeitig zu erreichen. Das Bundesverfassungsgericht sagt zurecht: Je länger wir warten, umso mehr belasten wir künftige Generationen.

Und dann gibt es natürlich auch einen gewissen rechtlichen Druck: der Geschäftsführer oder die Geschäftsführerin einer öffentlichen Institution, eines öffentlichen Betriebes, wie den Stadtwerken beispielsweise, meistens in GmbH-Form, trägt Verantwortung für die Gesellschaft und verpflichtet sich der Allgemeinheit. Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird die Verpflichtung zum Klimaschutz konkretisiert, doch aktuell kommt dieser Pflicht kaum ein Stadtwerk nach.   

Ein weiterer Punkt ist, dass das Business Modell Gas bald ausläuft. Wir wissen zwar nicht genau, wann und wie schnell, aber es läuft aus. Das bedeutet, ich muss als Geschäftsführer oder Geschäftsführerin pflichtgemäß handeln und die Alternativen an den Start bringen. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Verwaltungsrat oder Aufsichtsrat sind verpflichtet, die Risiken der fossilen und die Chancen der Erneuerbaren Energien zu erkennen.

„Je länger wir warten, umso mehr belasten wir künftige Generationen.“

Was sind denn die Vorteile für eine Kommune und ihre Bürgerinnen und Bürger, wenn sie die Energieversorgung selbst auf erneuerbare Energien umstellen?

Je früher die Kommune auf Erneuerbare umstellt, umso schneller wird sie einen Spareffekt und einen Ertragseffekt erzielen. Der Spareffekt ist: BürgerInnen und Stadtwerke geben sehr viel mehr Geld für fossile Energien aus, als sie in Zukunft für Erneuerbare ausgeben werden, da erneuerbare Energien ohne politische Aufschläge und Verzerrungen günstiger sind. Das heißt: Sowohl Kommunen als auch Bürgerinnen und Bürger sparen Geld.

Gleichzeitig gibt es einen Ertragseffekt: Die Kommunen verdienen Geld. Und es gibt Schätzungen, dass die Kommunen ihre Erträge mit Erneuerbaren Energien gegenüber Gas verdoppeln können. Das ist natürlich von Region zu Region unterschiedlich, aber im Schnitt werden sie deutlich mehr verdienen als bisher.

Und was ist mit den Kosten für den Umbau?

Es ist halt eine Transformation – die Kommunen müssen die Erneuerbaren konzipieren, bauen und vor allen Dingen auch finanzieren. Leider sind die Finanzierungsmittel für die Kommunen im Moment noch sehr knapp. Es gibt noch keine KfW-Bürgschaften für Kommunen, die auf Erneuerbare Energien umstellen wollen und das ist ein großes Problem, um das man sich kümmern muss. In der Tat ist es für die Kommunen eine schwierige Situation. Allerdings gibt es Gesellschaften am Markt, wie zum Beispiel AgroSolar Europe, die gerne Hilfestellung leisten, indem sie den Bau von Agri-Photovoltaik (Agri-PV) anbieten.

Wie könnte so eine Umstellung einer Kommune konkret aussehen?

Die kommunalen Entscheiderinnen und Entscheiderinnen und Entscheider können zum Beispiel auf die Website von German Zero (germanzero.de) gehen, auf der das Tool „Local Zero“ zu finden ist. Hier können sie ihre detaillierten Daten eingeben und bekommen im Anschluss einen Bericht, in dem aufgeführt ist, was grundsätzlich zu tun ist. Zudem sehen sie dann auch sofort den Umbaubedarf und können daraufhin landeseigene Flächen oder Grundstückseigentümer identifizieren, die beispielsweise in der Lage wären, Agri-PV-Anlagen zu installieren.

Im Anschluss wendet sich die Kommune an entsprechende Unternehmen, um gemeinsam die Umsetzung zu planen. Die Kommune sollte dabei auf jeden Fall sicherstellen, dass sie, wie vorhin schon erwähnt, selbst an der Energiegewinnung mitverdient und ausreichend beteiligt ist. Denn sonst haben wir wieder nur eine Ausbeutungssituation, die am Ende für Unmut sorgt und vor allen Dingen sozial ungerecht ist.

Was kann ich als Einzelperson tun, wenn ich selbst in einer kommunalen Verwaltung arbeite oder die Kommune, in der ich wohne, einfach zum Handeln animieren möchte?

Um die ersten Schritte erfolgreich zu meistern, ist das Unternehmen Ansvar (ansvar.com) aus meiner Sicht ein guter Partner. Sie haben ein Tool entwickelt, das den Stadtwerken vorrechnet, wie ihre Energiesituation aktuell mit den Fossilen aussieht und wie sie sein könnte, wenn Erneuerbare genutzt würden. Das finde ich sehr sinnvoll.

Und was die engagierten Bürgerinnen und Bürger angeht: denen kann ich nur empfehlen, sich an German Zero zu wenden und eine Gruppe aufzubauen, um vor Ort aktiv zu werden und dafür zu plädieren, dass die Energiewende auch durchgezogen wird. Die Organisation German Zero ist klein, aber sie wird zukünftig immer mehr Materialien zur Verfügung stellen, damit die Bürgerinnen und Bürger direkt lokal agieren und in den Kommunen gut durchdachte Vorschläge präsentieren können. Mit dem Tool „Local Zero“ bekommt man aber schon den ersten großen Überblick über alles, was passieren muss. Politische Aktivität von „unten“, gezielt und mit Inhalten, ist super sinnvoll.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Breidenbach!

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